Es kommt mir vor, als hätte ich vor ein paar Wochen erst das Jahr 2014 Revue passieren lassen. Nun hängt 2015 in den letzten Atemzügen. Der Puls wird ruhiger, das Tempo gedrosselt, die Welt ein wenig langsamer, bevor wir uns alle im neuen Jahr, im gleichen rasanten Tempo wiederfinden.
Während 2014 chaotisch, unruhig, miesepetrig war, konnte 2015, wie erhofft, vieles, was 2014 verbockt hatte, wieder gut machen. 2015 hat ganz viel neu gemacht und ganz viel gut. Diesmal sagt der Blick zurück nicht „Möge das neue Jahr anders werden“, sondern „Möge das neue Jahr so bleiben“.
Jeder von uns blickt zurück und erinnert sich an ein paar Ereignisse ganz besonders detailliert, während andere in zarten Skizzen verschwimmen. Bei all den Sinneseindrücken, die da permanent auf uns einprasseln, fragt man sich doch, warum bestimmte Momente, Situationen, Emotionen besonders im Gedächtnis bleiben. So erinnere ich mich an den heißen Sommer vor allem anhand der Erinnerung an einen Abend, an dem ich um 20 Uhr durch die stehende 35 Grad heiße Berliner Luft radelte, um mit Freunden im Weinbergspark zu liegen und bei der kurzen drei-minütigen Regenhusche Luftsprünge zu machen. Ich trug ein rotes Kleid, war beladen mit frischen Sommer-Sale Schnäppchen aus meinem Lieblingsladen und kaufte auf dem Weg Oliven ein. Ich erinnere mich noch daran, wie großartig die sich abkühlende Luft angefühlt hat. Das wiederum führt zu vielen anderen Abenden draußen bei Wein und Käse, Wanderschaften entlang der Spree, auf Decken sitzen, Kietzbummeleien und plötzlich erscheint das ganze Jahr wie ein einziger Berliner Hochsommer, der hätte nie zu Ende gehen müssen. Hach, es lebe die selektive Erinnerung.
Die Monate im Büro dagegen verkleben zu einem einzigen Erinnerungsbrei. Wenn auch ein guter Erinnerungsbrei – eine Erleichterung nach 2014. Natürlich blickt man zurück und kann sagen, was man alles gemeinsam erreicht hat. Aber Details lassen sich nur anhand von ganz bestimmten Ereignissen rekonstruieren. Dieser Alltagstrott, er raubt uns ganz anscheinend die Erinnerung.
Umso wichtiger ist es, den Trott durch selbst kreierte Ereignisse und Höhepunkte zu durchbrechen. Abstecher in die Natur, Sprünge auf Heuballen, Picknicke am See, Ausflüge in Weinberge, fremde Städte erkunden, beste Schokolade essen, fürstlich dinieren, vom Meer erwischt werden, Füße in den Strand stecken, lachen bis zum Bauchweh, Apfelbäume lieben lernen, vermissen & sich freuen, lauthals und schief singen, wild tanzen.
Dieses Jahr hat uns erneut gelehrt, uns nicht mehr von Dingen tangieren zu lassen, die wir sowieso nicht ändern können. Geklaute Fahrräder zum Beispiel oder verplante Flüge. Zumindest geben wir uns allergrößte Mühe. Wir haben aus 2014 gelernt, wenden es an und merken, dass es manches einfacher macht. Weniger aufregen zum Beispiel. Oder Arbeit, die Spaß macht. Urlaub nehmen. Seine Meinung sagen. Wir haben keine Vorsätze für 2016, behaupten wir, und doch haben wir insgeheim bereits ein paar persönliche Ansprüche im Kopf fest verankert. Das oberste Ziel aller: jauchzend durch 2016 zu wandern.
Happy new year everyone!